…oder das etwas menschlich frustriert-wütende #staythef**kathome (zensiert) – Als Social-Media-Mensch presst man den Zeitgeist in Hashtags. Onliner haben es ja angeblich besonders einfach in Zeiten von Social Distancing und Homeoffice, schließlich hängt man ja eh nur im Web herum – auch in der Freizeit. Direkte soziale Kontakte wurden auch schon vor Jahren an Facebook und Co. outgesourct. Stimmt in einigen schweren Fällen tatsächlich auch, aber die meisten Onliner haben dann doch noch ein „Real Life“, wie man so schön sagt.
Die ersten Tage im Home-Office waren in der Tat recht entspannt. Statt sich mit all diesen mühsamen Fragen wie „Was zieh ich an?“, „Soll ich mich rasieren?“ „Schaff ich den Bus noch?“ usw. zu beschäftigen, steht man auf (mitunter optional), duscht (noch optionaler) und legt direkt los. Eh man sich versieht, hat man sich einen neuen Rhythmus zugelegt: statt um 9:00 Uhr fängt man plötzlich um 7:30 an. Von wegen, man neige eher zum längeren Schlafen oder ausgiebigen Frühstücksorgien.
Naja, zugegeben, ich hätte auch ohne Corona jetzt den Rechner angeworfen, nur eben um zum Frühstück auf Youtube irgendeine Arte-Doku über den Hitler-Stalin-Pakt, El Salvadorianische Straßengangs oder über die regionale Küche in den südlichen Karpaten zu schauen. Stattdessen kann man jetzt direkt nach dem Aufstehen prüfen, wieviel Impressions, Conversions und sonstige Anglizismen gestern Abend noch zustande gekommen sind. Ein seltsames, Kennzahlen-verliebtes Volk, diese Onliner.
Isch hab‘ Rücken!
Erstaunlicherweise hielt ich es dann trotzdem für sinnvoll, Berufliches und Privates nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich zu trennen. Kurzerhand wurde aus dem eh so gut wie nicht genutzten Esstisch ein zweiter Schreibtisch für das Dienst-Notebook. Möglicherweise habe ich dem Gründerzeit-Tisch damit seine ursprüngliche Funktion zurückgegeben, zumindest vermittelt mir das die Schublade, vor der ich hier sitze – von alten Möbeln habe ich nämlich ehrlich gesagt keine Ahnung, so schön ich sie auch finde. Die dazu gehörige Bestuhlung erwies sich dann doch als unpraktisch und das Wochenende nach den ersten Tagen Heimarbeit war durchgehend geprägt von Nacken- und Schulterschmerzen. Deswegen steht da jetzt doch mein geliebter Schreibtischstuhl. Ich versuche, ihn einfach anders als in meiner Freizeit zu behandeln: strenger, professioneller und emotional distanzierter. Wir sind jetzt 8 Stunden am Tag Kollegen und keine Freunde mehr.
Corona vs. Greta
Es hat einen großen Nachteil, wenn man den ganzen Tag online unterwegs ist: Man kann Corona echt nicht ausblenden. Tatsächlich tue ich das trotz des veränderten Alltags zumindest in meinen vier Wänden recht häufig. Ich tu einfach so, als wäre ich einfach freiwillig daheim geblieben. Klar, draußen beim Einkaufen und Spazierengehen fühlt man sich wie in einer Endzeitwelt, in der man sich nur sicher fühlt, wenn weit und breit außer ein paar Rehen, Wildschweinen, Wölfen und Luchsen kein Lebewesen zu sehen ist. Die Natur holt sich ja mit einer unverschämten Dreistigkeit Stück für Stück alles zurück, was Mensch ihr mühsam über Jahrtausende abgetrotzt hat. Ob Greta neidisch auf Corona ist?
Auf dem Sofa ist dann jedenfalls alles wieder normal, zumindest im Moment noch. Im Web hingegen entkommt man Corona einfach nicht. Ehrlich gesagt brauche ich nicht jede neue Schreckensnachricht sofort auf meinem Bildschirm. Meistens bringen sie mir auch nix. Was soll ich denn aus den täglich steigenden Zahlen ableiten? Die drohende Apokalypse und die damit einhergehende Verpflichtung zur Panik? Nee, einmal am Tag Nachrichten reicht, bitte keine Liveticker! An die Verhaltensvorgaben halte ich mich doch penibel – #flattenthecurve, und ansonsten: Abwarten.
Quark [DE] | Topfen [Ö]
Ob ich die Kollegen vermisse? Ja, klar! Der Quark, den man sich typischerweise in seinem nachmittäglichen Motivationsloch um die Ohren pfefferte, fehlt sehr. Teilweise entstammen oft die besten Ideen einem mehr als üblen Wortwitz. Und jemandem per Skype vorzujammern, dass Programm XY nicht richtig arbeitet, ist nur halb so entlastend. Außerdem muss man jetzt seine Kekse immer selbst kaufen. Gut, man muss zwar auch keine mehr abgeben, aber das Verhältnis fiel auch früher im Büro schon oft von Person zu Person sehr unterschiedlich aus…
Im Westen nichts Neues, oder doch?
Was die eigentliche Arbeit angeht, kommt man nicht umhin zu sagen, dass das Online-Marketing in unserer Branche jetzt so ziemlich allein an vorderster Front kämpft. Und irgendwo da vorne im zerpflügten Niemandsland droht der stationäre Buchhandel vom Pleitepanzer überfahren zu werden.
Zuviel Kriegsrhetorik? Vielleicht. Aber da von Clausewitz‘ „Vom Kriege“ ja angeblich in jede Marketing-Fachbibliothek gehört vielleicht doch nicht ganz unpassend. Jedenfalls lässt man seine Verbündeten nicht im Stich, sonst ist man selbst verloren – #saveyourlocalbookstore.
Tatsächlich ist es ja für meine Generation die erste globale Krise, die uns im Arbeitsleben trifft. Nein, die Klimakrise zählt (noch) nicht, die wird uns erst in Zukunft wirklich einheizen – so viel zu üblen Wortwitzen. Existenzangst 2.0 funktioniert natürlich anders als vor einhundert Jahren, das ist klar. Ein Zwangsoptimismus, der sich auf dem Satz „Vergleich das mal damit, was die Generationen vor dir erdulden mussten!“ begründet, nützt da aber auch nicht viel, da muss unsere Generation ihren eigenen Optimismus finden und das werden wir auch.
Um den Bogen zum Anfang zu schlagen: die ersten Tage im Home-Office waren noch recht entspannt und die nächsten werden es hoffentlich auch, in schā' Allāh.
Bleiben Sie gesund! Funker Schild: Ende…