Social distancing disorder

»Ab heute wird gebüßt, wer die Abstandsregeln nicht einhält. Bleibt zuhause! Dies gilt insbesondere für Menschen ab 65...« So oder ähnlich die Schlagzeilen der Tageszeitungen in den letzten Tagen und Wochen, getragen und gestützt von unser aller Solidarität. Noch nie so wie in diesen Tagen wird uns, insbesondere uns »Oldies« auf allen Kanälen eingehämmert, dass man zur Risikogruppe gehört und sich die Einkäufe doch von  seinen Nachbarn, Enkeln oder hilfsbereiten Jugendlichen aus der näheren Umgebung machen lassen soll, die Dir diese dann auch gerne und rücksichtsvoll vor die Türe stellen. So altert man von einem Tag auf den andern nicht biologisch, sondern durch Informationen und Zuschreibungen. Was bisher gegolten hat (»man ist so alt, wie man sich fühlt«), gilt plötzlich nicht mehr oder beschränkt sich »social distant walking« im Quartier... Und so spürt man sich, im gleichen Boot mit den zahlreichen Menschen mit »Vorerkrankungen«, langsam aber sicher konfrontiert mit eigenen Ängsten, wird zum Hypochonder mit den Hüsteleien und weiß nie, ob man selber mit oder ohne Maske, die eigene Frau oder die Kinder das Virus vielleicht doch in sich tragen. Damit aber gegen die »ausserordentlichen Maßnahmen« der Gesundheitsbehörden anzutreten, wäre verfehlt. Im Gegenteil: ich halte mich daran, weiß allerdings manchmal nicht mehr genau, wer oder was in mir nun die Regie übernimmt oder schon übernommen hat und ob sich mit der Etablierung von »teleelektronischen homeworking« nicht ein neues Krankheitsbild „social distancing disorder“ zu etablieren beginnt, das in einer Nachlese und der Aktualität entsprechend noch ins DSM V bzw. ICD 11 aufgenommen wird...

Lic. phil. Martin Rufer ist in eigener Praxis als Psychologe und Psychotherapeut sowie im Bereich Weiterbildung und Supervision in Bern tätig. Von 2000–2009 war er Geschäftsleiter des ZSB Bern (Zentrum für systemische Therapie und Beratung).

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    Schön geschrieben. Ein zusätzlicher Tipp: Kafka lesen, insbesondere natürlich die "Verwandlung" und sich einfühlen in die Hauptfigur...

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    Lieber Martin, "altes Haus".... das mit dem "social disdancing" soll ja demnächst wieder in "social condancing" umgewandelt werden, wir müssten nur noch etwas zuwarten, heißt es.
    Bytheway: das mit dem "Pflichtfeld: Bewertung", und das nur im vorgebenem Rahmen von 1 bis 10 ist doch für uns ältere Semester nicht mehr wirklich von Sinn, oder? Da sollte man wenigstens dazu schreiben, welches Skalenniveau gemeint ist und ob später dann darus logarithmisch angepasste Kurven fabriziert werden, damit es "besser darstellbar" ist. In unserem Alter sollte man sich solche Klarheit dann doch erlauben, oder? Dass das ein Scherz sein soll, lässt sich aus sozialer Distanz wiederum nur... ach was, ein bißchen Spaß muss auch in der Hölle sein, "a hard rain's gonna fall...", aber mit Musik!
    Herzlich
    Wolfgang

  • genau, das ist unsere Situation

    Genau so fühlen wir uns. Wir sind gesund (mein Mann mit gur eingestellter Diabetes) Wir sind sehr aktiv und haben uns bis jetzt nicht "alt "gefühlt.

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