Kirche und Sexualität

Sexualität und Kirche

«Er hat ein Leuchten in sich, das niemand auslöschen kann, so sehr das auch schon manche Menschen versucht haben. […] Ges­tern haben wir neuen Nagellack gekauft und Tutus getragen. Hier ist er, Welt. Sieh meinen Sohn als den wunderbaren Menschen, der er ist. Zeig ihm Liebe. Zeig ihm Respekt. Helft uns, die Welt so zu machen, dass sie ihn verdient.«

Das sind Worte einer Mutter, die vor einiger Zeit durchs Internet gingen und die Holger Pyka in einer Predigt aufgegriffen hat, die im Buch „Sexualität und Kirche“ (s.u.) aufgenommen wurde: „Wenn Jungs ‚anders‘ sind: Josef und Billy Elliot“. Gabriele Meister hat dieses Buch geschrieben, weil sie betroffen war über sexuelle Diskriminierung in der Gesellschaft und speziell in Gemeinden – auch dort, wo sie es nicht erwartete. Wie weit ist die Kirche, was kann Gemeinden „zugemutet“ werden in Sachen Toleranz? Wissen über andere sexuelle Identitäten, Auseinandersetzung mit eigenen Ängsten, das Buch soll helfen, Sprachlosigkeit zu überwinden und Rat geben. Aber woran mangelt es in den christlichen Gemeinden, worum geht es eigentlich?

Auseinandersetzung mit grundsätzlichen Fragen

In den letzten Jahren – zum Teil ausgelöst durch die Aufdeckung der Missbrauchsfälle in der Kirche – hat die Diskussion um Zölibat, Lustfeindlichkeit, Umgang mit Homosexualität, Geschlechterrollen und der Sexualität allgemein an Fahrt aufgenommen. Foren, Tagungen, Diskussionsrunden haben stattgefunden, Zeitungsartikel, Broschüren und Predigten sind veröffentlicht worden. Das ist gut und wichtig und es zeigt, wie viel noch getan werden muss, wie sehr die christlichen Kirchen sich grundsätzlich auseinandersetzen müssen mit ihrem Verständnis von Liebe und Sexualität. Es geht also nicht nur um Fragen rund um die „Regenbogengesellschaft“, um Toleranz und Gleichstellung, ebenso wenig nur um Missbrauch und sexuelle Übergriffe im kirchlichen Kontext. Wie viel Augustinus, wie viel Erbsündenlehre hat sich bewahrt in den Köpfen und Institutionen? Hinkt die Kirche nicht den gesellschaftlichen Entwicklungen hinterher, statt sie mit zu gestalten? Das letzte Papier der EKD zum Thema Sexualität stammt aus dem Jahr 1971, die Arbeit einer einberufenen Kommission zur Sozialethik wurde 2014 gestoppt.

Was haben Kirche und Theologie zur Sexualität zu sagen?

Dabei wäre es nicht nur wichtig, sich zu diesem Thema zu positionieren, es wäre auch eine Chance, die wichtige gesellschaftliche Stellung der Institution Kirche zu kräftigen und ins Gedächtnis zu rufen. Viele Geistliche machen die Erfahrung, dass auch Menschen, die keiner Glaubensgemeinschaft angehören, wissen möchten, was die theologische Meinung zu Fragen rund um Sexualität ist. So könnten die christlichen Kirchen auch in diesem Bereich eine Ankerfunktion einnehmen. Diskussionen anbieten und annehmen, offenbleiben, Ängste dämpfen, das Thema ernst nehmen und ihm angemessenen Raum geben, als etwas Wichtiges, aber nicht das Wichtigste im Leben.

Gottesdienst und Andachtspraxis zum Homo-, Bi, Trans*- und Inter*sexualität

Wie können Theologinnen und Theologen mit eigenen Unsicherheiten umgehen, wie können sie im Alltag und in der Berufspraxis den Herausforderungen einer diversen Gesellschaft begegnen, wie können sie selbst dazu beitragen, dass möglichst viele sich unter dem Dach der Kirche aufgenommen fühlen? Dazu hat die Theologin Gabriele Meister in ihrem jüngst erschienen Buch „Sexualität und Kirche“ Anregungen und praktische Tipps bereitgestellt, Predigt- und Liturgievorschläge zusammengetragen. Informationen und Handreichungen, die helfen sollen, Vorurteile abzubauen. Was passiert, wenn Eltern sich an ihren Pfarrer wenden, weil ihr Kind ‚anders‘ ist, weil es gemobbt oder angegriffen wird? Wie ist das mit der kirchlichen Segnung gleichgeschlechtlicher Paare? Wie geht es den Pfarrerinnen und Pfarrern, die selbst homosexuell oder trans* sind? Wie gehen Gemeinden damit um? Das Buch zeigt Mutmachendes, Menschen, die es geschafft haben, sich ihrer sexuellen Identität bewusst zu werden und die diese offen leben können. Aber es zeigt auch auf, wie sehr Gemeindeglieder und auch Menschen in kirchlichen Ämtern noch immer leiden müssen, wenn sie nicht dem entsprechen, was als tolerierbar empfunden wird.

Wenn Kirche nicht dem Zeitgeist hinterherhinken, sondern die moralischen Werte mitbestimmen und prägen möchte, dann sollte sie mutig sein, sich Diskussionen stellen und vor allem auf Wertschätzung und Respekt gegenüber allen Menschen pochen.

 

 

 

 

 

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