Arbeiten aus dem Schlafzimmer

Home-Office, dritte Woche, irgendwo in der Nähe von Wien. Unlängst bin ich mitten in der Nacht aus einem Traum hochgeschreckt. Das Radl ist kaputt, ich komme zur spät zur Arbeit! Dann ist mir eingefallen: Oh, ich muss gar nicht hinfahren - denn ich arbeite jetzt im Schlafzimmer.

Die Vorteile? Ich bin wirklich sehr schnell an meinem Arbeitsplatz und schlafe morgens auch länger als üblich. Aufgestanden, Kaffee gemacht, ab ins »Büro«. Die Nachteile: Ich vermisse meine tägliche Radfahrt in die Arbeit, hin und retour immerhin 33 Kilometer purer Sport, und meine KollegInnen. Und: Zuhause sind wir plötzlich sieben Tage die Woche rund um die Uhr zu viert, was im Gegensatz zu unserem normalen Alltag als Familie eine ordentliche Herausforderung bedeutet. Statt in Schule und Kindergarten toben die Kinder durch die Home-Office-Bereiche ihrer Eltern - und wollen nebenbei nicht nur unterrichtet, sondern vor allem unterhalten werden. Um den Teilzeitjob meiner Frau und meinen Vollzeitjob bewältigen zu können, müssen wir die Home-Office-Tätigkeiten in Schichten einteilen und auch nachts arbeiten, wenn die Kinder im Bett sind. Glücklicherweise besitzen wir zwei Computer. So können wir, wenn die Kinder mal beschäftigt sind, auch gleichzeitig arbeiten. Es gibt KollegInnen, da können die Berufstätigen im Home-Office nur hintereinander an das verfügbare Gerät…

Erstaunlicherweise funktioniert mein Büroalltag dennoch recht gut. Die Kinder akzeptieren murrend aber doch, dass ich mich in der Früh zurückziehe (»Papa, du darfst nicht immer so schnell ins Büro gehen«, so der Vierjährige) und nutzen jede Chance, wenn ich mal rauskomme, um mich zu überfallen (»Papa jetzt musst du mal mit mir die Mathe-Übungen machen«, so die Siebenjährige). Und natürlich nützt die geschlossene Türe nichts, wenn die Kinder lautstark in der Wohnung streiten, singen oder spielen. Für die beiden ist die Ausgangsbeschränkung eine noch größere Herausforderung als für uns Erwachsene.

 Die Kommunikation mit den Kollegen aus dem Büro, die auch im Home-Office sitzen, läuft fast wie immer. Einmal am Tag halten wir eine Telefonkonferenz ab. Was fehlt, ist das Zwischenmenschliche, der Tratsch bei der Kaffeemaschine und schnelle Antworten auf fachliche Fragen. Die Kommunikation mit externen KollegInnen läuft vermehrt schriftlich. Meine dienstliche Telefonnummer ist zwar auf mein privates Handy umgeleitet, es ruft aber kaum jemand an. Das Umfeld schreibt lieber, wohl in der Annahme, dass die Büros ohnehin unbesetzt sind.

Der größte Unterschied zum normalen Arbeitsalltag ist die erzwungene Stille rund um den de facto geschlossenen stationären Buchhandel, zu dem ich in normalen Zeiten regelmäßig und regen Kontakt halte. Obwohl viele österreichische Buchhandlungen ins Versandgeschäft eingestiegen sind, beeinflusst der Status Quo natürlich das Bestellverhalten des Buchhandels. Zudem verändern geschlossene Buchhandlungen die Sichtbarkeit unserer Bücher: In der Buchhandlung können Interessierte Bücher neu entdecken, haptisch ertasten und an einer Stelle ihrer Wahl anlesen. Die BuchhändlerInnen in den Geschäften können zusätzliche Infos zu den Büchern vermitteln. Wer jetzt Bücher online bestellt, muss sie in der Regel schon zuvor irgendwie und irgendwo entdeckt haben. Mein Arbeitsbereich als Programmplaner ist von den Ausgangsbeschränkungen und Schließungen nicht unmittelbar betroffen. Wir planen zum Teil langfristig im Voraus. Wobei sich aber auch hier der Shutdown aller Archive und Bibliotheken bemerkbar macht: AutorInnen klagen, von ihren Forschungsunterlagen abgeschnitten zu sein und mit ihrer Arbeit nicht weiterzukommen.

Eine WhatsApp-Gruppe regelt, wann wer der Hausparteien in den Garten darf, über den wir glücklicherweise verfügen. Unser Slot beginnt. Bis später…

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