Andersheit – Fremdheit – Ungleichheit
Erfahrungen von Disparatheit in der deutschsprachigen Literatur
Das menschliche Leben besteht nicht nur – dem relational-performativen Raumverständnis folgend – aus interpersonalen Beziehungen und den damit verbundenen Ereignissen und Situationen, sondern es wird auch zum sprachlichen Konstruktionsprozess. Bei der Verbindungslinie zwischen Andersheit, Fremdheit und Ungleichheit geht es um komplexe soziale Phänomene, zu denen sich auch affektiv-emotive Ereignisse im Sinne von Spannungsaufbauprozessen, Gefühlsaufwallungen und Erregungszuständen gesellen. Durch die ›Ereignishaftigkeit‹ der Erfahrung und Wahrnehmung von Andersheit, Fremdheit und Ungleichheit bekommen menschliche Existenzen eine turbulente, spannungsvolle und dramatische Dimension, sie werden besonders und bemerkenswert. Jeder soziale Akteur, der zugleich auch Teil übergeordneter Einheiten ist, entwickelt seine eigene Empfindlichkeit für Eigenes und Fremdes, seine eigene Vorstellung von einer zufriedenstellenden Heimatwelt und seine eigene Bereitschaft zur Akzeptanz von koexistierenden ›Fremdwelten‹, die nicht selten mit ›atmosphärischen Vergiftungen‹ und zwischenmenschlichen Konfliktlagen assoziiert werden. Zur Begegnung mit dem Anderen und dem Fremden – und damit sind nicht nur interkulturelle, sondern auch intrakulturelle Erscheinungsformen von Andersheit und Fremdheit gemeint – gehört ein größerer Aufmerksamkeitsmoment, der eine kognitiv-emotive Verortung des internen und externen Beobachters ermöglicht und die Notwendigkeit einer Herstellung von soziokulturellen Zugehörigkeiten, die es erlauben, Heimatwelt gegen Fremdwelt, Nähe gegen Ferne, Geschlossenheit gegen Offenheit, Stabilität gegen Mobilität abzugrenzen, bewusster macht.
Publikationen der Schriftenreihe »Andersheit – Fremdheit – Ungleichheit. Erfahrungen von Disparatheit in der deutschsprachigen Literatur« haben die Aufgabe, nicht nur literarische Verhandlungen und spezifische Erscheinungsformen von Andersheit, Fremdheit und Ungleichheit offenzulegen, sondern diese kritisch zu hinterfragen. Die Verfügung über den Raum verbindet sich nämlich auch unausweichlich mit einer Entscheidungsfreiheit – und dies betrifft auch figurale und erzählerbezogene Perspektiven und Motivationslagen –, mit welcher Intensität – ob überhaupt – Andersartiges, Fremdes und Ungleiches in den unmittelbaren Erfahrungsbereich des Einzelnen, der betroffenen Gemeinschaft oder Gesellschaft eintreten darf und wie dessen Positionierung hinsichtlich entwickelter Anerkennungs- bzw. Distanzierungsstrategien verläuft.