René Aguigah übernimmt die Anna-Vandenhoeck-Gastdozentur für Literaturkritik

Im Wintersemester 2024/2025 geht die Anna-Vandenhoeck-Gastdozentur für Literaturkritik der Abteilung Komparatistik am Seminar für Deutsche Philologie an der Universität Göttingen an René Aguigah, Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur.

René Aguigah leitet das Ressort Literatur von Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur. Zuvor war er für den Sender als Redakteur und als Abteilungsleiter tätig („Hintergrund Kultur und Politik“). Bei der Zeitschrift „Literaturen“ arbeitete er als Sachbuch-Redakteur (2005-2010), bei WDR 3 als Kulturredakteur (2002-2005). Er studierte Geschichte, Philosophie und Journalismus in Bochum und Dortmund. In den Jahren 2013 bis 2015 war er Mitglied der Jury für den Preis der Leipziger Buchmesse. 2023 wurde er Fellow am Thomas Mann House Los Angeles.

Die öffentliche Antrittsvorlesung »James Baldwins Wir« findet in diesem Jahr im Rahmen des Göttinger Literaturherbsts am 28. Oktober 2024 um 18:00 Uhr im Adam-von-Trott-Saal  in der Alten Mensa am Wilhelmsplatz (Wilhelmsplatz 3, 37073 Göttingen) statt.

Der Schriftsteller James Baldwin (1924-1987) pflegte ein schillerndes Verhältnis zu Personalpronomen. Das Ich, von dem seine Essays so oft erzählen, bezeichnet zunächst ihn selbst: jenen Jimmy, der in Harlem geboren wurde, dort seine Kindheit und Jugend in ärmlichen Verhältnissen verbrachte, der mit Mitte 20 nach Paris zog, um dem Rassismus und der Schwulenfeindlichkeit der US-amerikanischen Gesellschaft zu entkommen – und dort an seinem ersten Roman zu arbeiten. Immer wieder ist das Ich seiner Essays aber auch 400 Jahre alt: „Ich pflückte die Baumwolle, ich trug sie zum Markt, ich baute die Eisenbahnschienen unter der Peitsche eines anderen, für nichts.“ Mit dem Wir in Baldwins Essayistik verhält es sich nicht eindeutiger. Mal bezieht es sich auf die Millionen von Afroamerikaner:innen, als deren Sprachrohr Baldwin seit der Bürgerrechtsbewegung der 50er, 60er Jahre wahrgenommen wird. Dann wieder besteht das Wir aus „uns allen“ – oder zumindest aus der US-amerikanischen Gesellschaft jener Zeit, die die Schwarzen doch ausschließt. In welchem Verhältnis steht das eine zum anderen: das Gruppen-Wir zum gesamtgesellschaftlichen Wir? Diese Frage richtet der Vortrag an Baldwins Werk. Sie kommt aus einer Gegenwart, die über Gruppenidentitäten streitet, die Identitätspolitik betreibt oder verwirft, die eine (vermeintliche oder reale) Spaltung der Gesellschaft zu kitten versucht, sei es in den USA, sei es in der Bundesrepublik. Lässt sich Inspiration für diese Lage bei Baldwin finden, dessen Bücher seit einigen Jahren neu ins Deutsche übersetzt werden (auch in diesem Jahr seines 100. Geburtstags)? Wenn ja – eher in seinen Essays oder eher seinen Romanen? Und wie ließen sich Fragen wie diese behandeln, wenn nicht mit den Mitteln der Literaturkritik?

Die Anna-Vandenhoeck-Gastdozentur für Literaturkritik

Die Anna-Vandenhoeck-Gastdozentur wird in Kooperation der Abteilung Komparatistik am Seminar für Deutsche Philologie der Universität Göttingen und Vandenhoeck & Ruprecht, einem Imprint der Brill Deutschland GmbH, realisiert und ist als Fortsetzung der von Heinz Ludwig Arnold etablierten Gastprofessur für Literaturkritik konzipiert. Die Gastprofessur für Literaturkritik bestand von 1997–2011 und gehörte zu den Institutionen, die das universitäre mit dem literarischen Leben zusammenführen sollten.

In Form einer Neuauflage ist die Anna-Vandenhoeck-Gastdozentur für Literaturkritik gedacht, auf die jährlich eine renommierte Berufskritikerin oder ein renommierter Berufskritiker berufen wird, die/der in mehreren Blocksitzungen theoretische und vor allem praktische Übungen in Literatur- und Kulturkritik für alle Studierenden der Philosophischen Fakultät anbietet. An die erste Seminarsitzung schließt sich außerdem ein öffentlicher Vortrag an.

 Zu den bisherigen Dozentinnen und Dozenten für Literaturkritik zählen

 

 Mehr über Anna Vandenhoecks Leben und Wirken als Verlegerin lesen Sie hier.

 

Foto: Carolin Görgen

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