Heimbüro mit Naturanschluss

Haussperlinge tschilpen in den Apfelbäumen im Garten. Eine Ringeltaube sitzt träge auf einem scheinbar viel zu dünnen Birkenzweig, der sich unter ihrem Gewicht gefährlich nach unten neigt. Auf dem gegenüberliegenden Dachfirst hüpfen zwei Elstern von Ziegel zu Ziegel. Spatzen, Tauben und Elstern geben ihre tägliche Morgenvorstellung vor dem Fenster, während ich meinen Arbeitsplatz für die dritte Woche im Heimbüro wieder aufbaue. Über Ostern hatte ich das mobile Büro in einer Kiste verschwinden lassen. So konnte es nicht passieren, dass ich mal eben in mein Postfach schaue und eine E-Mail beantworte, weil ich es ja kann, und eine E-Mail alleine noch keine Arbeit macht. Es ist mir wichtig, private Zeit und Arbeitszeit nicht zu vermischen, denn nur so bleibt mein Arbeitstag strukturiert.

Bevor ich die erste E-Mail lese, lenkt mich noch einmal eine Blaumeise ab. Aufgeregt hüpft sie mit einer weißen Feder im Schnabel auf dem Balkongeländer herum. Sie dreht ihren Kopf, schaut nach unten, dann nach oben, zur Seite, wieder nach unten, fliegt in die Zweige des Apfelbaumes, von dort wieder zurück auf das Geländer, in den Blumenkasten, zupft sich dort zwei, drei Gräser, dann auf den Balkontisch, auf den Fenstersims und weg ist sie. Ihr kleiner Schnabel war gut gefüllt mit Nistmaterial.

Es ist wieder viel los an diesem Vormittag. Die Blaumeise und die anderen Vögel im Garten sind jedenfalls erst einmal vergessen. Die Herausgeber einer wissenschaftlichen Buchreihe möchten Absatzzahlen genannt bekommen, für ein Buch muss eine Neuauflage kalkuliert werden und eine Autorin möchte mit mir über die ersten Schritte eines Editionsprojekts sprechen. Per Telefon oder Videokonferenz? Beides kein Problem dank Digitalisierung. Es ist ein Luxus, wenn die eigene Arbeit noch beinahe genauso weitergeführt werden kann wie vor der Pandemie.



Zum Mittagessen sitze ich auf dem Balkon zwischen Radieschen, Himbeer- und Tomatenpflänzchen, die natürlich alle noch erwachsen werden müssen. Die Sonne lugt um die Ecke und wärmt mit ihren Strahlen die Ziegelsteine der Hausmauer. Das lockt Wildbienen an, die auf der Suche nach einem geschützten Ort für ihre Eiablage sind. Akribisch prüfen sie Risse, Spalten und kleine Löcher im Mauerwerk. Meine Mittagspausen verbrachte ich sonst in der Innenstadt; sie boten weitaus weniger Unterhaltung.

Nach dem Mittagessen mache ich mir einen Grünen Tee, um munter für die zweite Tageshälfte und  das erste virtuelle Team-Meeting der neuen Woche mit den Kolleginnen und Kollegen zu bleiben. Danach muss noch ein Protokoll geschrieben und ein Manuskript geprüft werden. Bis zum Feierabend kommt keine Langeweile mehr auf. Um kurz vor achtzehn Uhr öffne ich dann wieder die Balkontür. Die Arbeitsluft weicht einer hineinströmenden Frühlingsbrise. Das Leben steht nicht still.

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