Klinikseelsorge als spezialisierte Spiritual Care. Der christliche Heilungsauftrag im Horizont globaler Gesundheit
Ist Klinikseelsorge ein Heilberuf? Was kann sie zu interprofessioneller Spiritual Care beitragen? Welche Rolle spielt sie im Feld globaler Gesundheit und in Zeiten der Pandemie? Und welchen Platz hat eine kirchlich beauftragte Seelsorge in einem gesellschaftlichen Umfeld, das in spirituell-religiöser und weltanschaulicher Hinsicht zunehmend plural ist? Das vorliegende Buch beantwortet diese und weitere Fragen mit Blick auf vielfältige Fallbeispiele und positioniert sich in der aktuellen Diskussion rund um Spiritual Care.
Klinikseelsorge – ein Heilberuf!?
Ist die Seelsorge, die im Gesundheitswesen tätig ist, ein Heilberuf? Das Buch bejaht diese Frage, indem es für ein erweitertes Verständnis von „Gesundheit“ und „Heilung“ plädiert. Seelsorge ist heilsam, wenn sie dazu beiträgt, dass Menschen zu mehr Hoffnung, Klarheit, Vertrauen und Trost finden oder ihre Krankheitssituation aus einer neuen, zukunftseröffnenden Perspektive sehen können. Seelsorge ist heilsam, wenn sie sich aktiv in das interprofessionelle Bemühen einbringt, kranke, sterbende und trauernde Menschen in bestmöglichster Weise zu begleiten und zu unterstützen. In einem zunehmend komplexen und hochspezialisierten Gesundheitswesen kann Seelsorge ihre Wirksamkeit nur entfalten, wenn sie sich interprofessionell vernetzt. Nur dann können ihre Stärken und Möglichkeiten wahrgenommen werden.
Gesundheitsberufliche und seelsorgliche Spiritual Care
Seelsorge ist ein Heilberuf, insofern sie zur Entwicklung des neuen interprofessionellen Handlungsfelds „Spiritual Care“ beiträgt. Das Leitwort „Spiritual Care“ steht für vielfältige Bewegungen, die in den letzten Jahrzehnten zu einer Erweiterung des Gesundheitsverständnisses geführt haben, zur Wiederentdeckung der spirituellen Dimension. Viele Studien belegen, dass spirituelle Überzeugungen, Erfahrungen und Praktiken den Umgang mit Krankheitssituationen und auch Heilungsprozesse beeinflussen. Spiritual Care bedeutet, auf diese Aspekte in allen Bereichen der Gesundheitsversorgung zu achten, und zwar in einer interprofessionell koordinierten Weise. Zur interprofessionellen Zusammenarbeit gehört auch in diesem Feld, die professionsspezifischen Aufgaben zu klären und zwischen Kernkompetenzen und gemeinsamen Befähigungen zu differenzieren. So unterscheiden sich gesundheitsberufliche und seelsorgliche Spiritual Care durch ihren Spezialisierungsgrad. Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachpersonen und Angehörige anderer patientennaher Berufe tragen zur spirituellen Grundversorgung bei, wenn sie die spirituelle Dimension bewusst in ihre Arbeit einbeziehen (z.B. bei der Klärung von Therapieoptionen am Lebensende). Im Unterschied dazu ist klinische Seelsorge, die sich interprofessionell vernetzt, als spezialisierte Spiritual Care zu verstehen. Das hat Konsequenzen für eine zukunftsfähige Ausgestaltung klinikseelsorglicher Ausbildung und Arbeit. Als im Gesundheitswesen tätige Fachpersonen müssen Seelsorgende nicht nur Rechenschaft darüber abzulegen, was sie mit welchen Zielsetzungen tun, sondern künftig auch stärker belegen, dass ihr Handeln diesen Zielen entspricht. Dass sie hilfsbedürftigen Menschen nützt und nicht schadet, gehört nicht allein zum Berufsethos der Seelsorge, sondern ist eine Grundbedingung dafür, um in Gesundheitsinstitutionen überhaupt tätig sein zu können. Doch wie lässt sich eine solche Ausrichtung seelsorglichen Handelns noch mit einer kirchlichen Beauftragung vereinbaren?
Klinikseelsorge im Licht des christlichen Heilungsauftrags
Seelsorge ist ein Heilberuf, weil sie teilhat am christlichen Heilungsauftrag. Dieser gehört wesentlich zur kirchlichen Sendung, auch wenn er oft vergessen wird. Klinikseelsorge im Horizont dieses Heilungsauftrags zu verankern, bedeutet, sie in den Gesamtzusammenhang des christlichen Engagements im Gesundheitswesen zu stellen und dadurch heilsam zu relativieren. Die neutestamentliche Rede von Heilung kann sich auf unterschiedliche Tätigkeiten und Erfahrungen beziehen. Sie verweist auf komplexe Heilungsereignisse, in denen sich sämtliche Lebensdimensionen verschränken, die heute gewöhnlich unterschieden und verschiedenen Professionen zugeteilt werden: leibliche, seelische, soziale, spirituelle. Doch worin besteht der christliche Heilungsauftrag in einem Gesundheitswesen, das durch globale Pandemien, die ungleiche Verteilung von Ressourcen und teilweise gegensätzliche Heilungsvorstellungen und therapeutische Praktiken gekennzeichnet ist? Das Buch skizziert unterschiedliche Optionen und vertritt die Position, dass sich der christliche Heilungsauftrag in der Mitverantwortung für eine gute und gerechte Gesundheitsversorgung verwirklicht, ohne dabei in deren institutionalisierten Gestalten aufzugehen. Die christliche Mitgestaltung des Gesundheitswesens vermag dieses von innen heraus zu transformieren. Nur wenn die Kirche innerhalb des Gesundheitswesens präsent bleibt und darin Verantwortung übernimmt, kann sie es mitgestalten – auch durch ihr seelsorgliches Engagement.
Spiritual Care im Horizont globaler Gesundheit
Die aktuelle Pandemie und die sich abzeichnende ökologische Krise machen es deutlich: Gesundheit ist in einer global vernetzten Welt ein gemeinschaftliches Gut, das von sozialen Ungleichheiten bedroht wird. Selbst wenn der Fokus der Klinikseelsorge auf der je einzigartigen Not von kranken, sterbenden und trauernden Menschen liegt, so steht auch ihre Aufgabe im Horizont globaler Vernetzung. Die systemische Einsicht, dass alles mit allem zusammenhängt, gilt, wenn es um Gesundheit und Krankheit geht, in besonderer Weise. Zeitgleich zur wachsenden Globalisierung der Gesundheitsversorgung führen beispielsweise Migrationsbewegungen dazu, dass die säkular geprägten Welten hiesiger Kliniken sich in religiös-spiritueller Hinsicht weiter ausfächern werden. Unter den Bedingungen einer wachsenden Pluralisierung des religiös-spirituellen Felds sind Expert*innen gefragt, die sich in diesem unübersichtlichen Feld zu orientieren und in Konfliktsituationen zu vermitteln vermögen. Vor diesem Hintergrund gewinnt klinische Seelsorge als spirituell profilierte Profession gegenwärtig neu an Bedeutung. Im Horizont des christlichen Heilungsauftrags ist die professionelle Kernkompetenz der Seelsorge nicht durch eine scharfe Abgrenzung gegenüber der therapeutischen Aufgaben anderer Heilberufe zu gewinnen, sondern dadurch, dass sie innerhalb eines gemeinsamen Tätigkeitsfelds ihr spirituelles und professionelles Profil schärft.
Simon Peng-Keller ist seit 2015 Professor für Spiritual Care an der Universität Zürich. Von 2016 bis 2020 war er Seelsorger im Kompetenzzentrum Palliative Care am Universitätsspital Zürich. Er unterrichtet als Gastprofessor für Theologie der Spiritualität an der Theologischen Hochschule Chur. Darüber hinaus ist er zusammen mit seiner Frau als Exerzitienbegleiter im Lassalle-Haus, Bad Schönbrunn und im Geistlichen Zentrum St. Peter im Schwarzwald tätig.
Biblische Krankenheilung
Im Hinblick auf die Biblische Krankenheilung möchte ich die Bibelziate anführen:
Gott heilt alle deine Krankheiten. Psalm 103,3
Jesus Christus kann Wunder vollbringen (Psalm 77,15), aber auch durch Ärzte, andere Therapeuten
und Medikamente handeln.
Mein Sohn, achte auf meine Worte, neige dein Ohr meiner Rede zu!
Lass sie nicht aus den Augen, bewahre sie tief im Herzen!
Denn Leben bringen sie dem, der sie findet, und Gesundheit seinem ganzen Leib.
Die Sprüche Salomos (Sprichwörter) 4,20-22
Und wenn sie auch alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein… Psalm 92,15
Wenn ihr Gott um etwas bittet und darauf vertraut, dass die Bitte erfüllt wird, dann wird sie auch erfüllt.
Markus 11,24
Alles, was wir erbitten, empfangen wir von Gott, weil wir seine Gebote halten und tun, was ihm gefällt.
1.Johannes 3,22
Freut euch immerzu! Lasst nicht nach im Beten. Dankt Gott in jeder Lebenslage.
1.Thessalonicher 5,16-18
Lesen Sie bitte auch Jakobus 5,13-16 und rufen Sie Ihre Ältesten der Gemeinde zum Gebet.
Zwischen Krankheit und Sünde kann ein Zusammenhang bestehen (Apostelgeschichte 12,23 und
13,4-12; 2.Chronik 21,15; 1.Korinther 11,26-30), muss aber nicht (Glaubensprüfung Hiob 5,17-18 dazu
1.Korinther 10,13; Erziehung Hebräer 12,4-11; zur Verherrlichung Gottes Johannes 9,3; Handeln Satans
Lukas 13,16).