Als drei Wochen vor den Osterferien in NRW die Schulpflicht ausgesetzt wird, melde ich mich bei der Grundschule zur Notbetreuung, an der ich mehrere Kurse in Evangelischer Religion unterrichte. »Notbetreuung« – was für eine unglückliche Wortwahl! »Zur Not« also können Schülerinnen und Schüler sich am Vormittag unter der Aufsicht von Lehrerinnen und Lehrern in der Schule aufhalten. Das klingt nicht sehr einladend, oder?
Meinen Kolleginnen, Kollegen und mir ist es ein Anliegen, dass die Kinder sich willkommen fühlen und dass sich unter ihnen auch ein positives Gemeinschaftsgefühl entwickelt. Also werden Rituale und eine Tagesstruktur eingeführt und gemeinsame Aktionen geplant: Sonnenblumen pflanzen und ziehen, Gestaltungs- und Bewegungsangebote, gemeinsames Musizieren, Zeit zum freien Spiel – natürlich alles kontaktlos. Die Kinder sind gut informiert und bemühen sich sichtlich, alle Regeln einzuhalten. Doch immer wieder stoßen sie auch an die Grenzen, müssen ermahnt werden und sind empört: »Man darf hier ja ganz nichts mehr! Wie lange noch?« Ich merke, dass hier Gesprächsbedarf besteht, der über die Erklärung der getroffenen Maßnahmen und Wissensvermittlung über das Corona-Virus hinausgeht.
An dem Symbol des Regenbogens, das inzwischen an vielen Fenstern von Kinderzimmern leuchtet, möchte ich den Kindern in der Gruppe die Gelegenheit geben, über ihre Gedanken und Gefühle nachzudenken, ihre Sorgen und Hoffnungen auszudrücken. Die Erzählung von Noahs Arche bietet hier viele Anknüpfungspunkte und Impulse. Vor allem aber eröffnet sie mit dem Regenbogen als Zeichen für Gottes Bund auch die Perspektive der Hoffnung und Zuversicht.
Zu Beginn assoziieren die Kinder zu jeder Farbe des Regenbogens und sammeln, was ihnen wichtig und lieb ist. Die Lehrkraft notiert die Begriffe auf farbigen Karten:
Nun erleben die Schülerinnen und Schüler die Geschichte von Noah, die mit Bildern auf der Erzählschiene anschaulich präsentiert wird. Eine Videoaufzeichnung der Erzählung steht in gekürzter Form hier zur Verfügung.
Gemeinsam überlegen die Kinder in der »Notbetreuung«, wie sich die Geschöpfe in der Arche fühlen und was sie denken. Von Schutz und Geborgenheit ist die Rede, aber auch von Sorgen und Ängsten. Und die Kinder erkennen rasch, dass auf so einer Arche nicht genug Platz zum Spielen und Rennen ist. »Das ist ein bisschen wie jetzt bei uns. Wir vermissen unsere Freunde«, erklärt eine Schülerin nachdenklich. »Aber wir können mit ihnen telefonieren und uns gegenseitig Nachrichten schreiben«, wendet der ältere Schüler ein. Seine Klassenkameradin stimmt zu: »Meine Großeltern habe ich sogar am Bildschirm gesehen und mit ihnen ein Ratespiel gespielt.«
Im Anschluss an die Erzählung schauen wir nochmals genau auf den Regenbogen und die Wörter, die wir zu Beginn zu den einzelnen Farben gesammelt haben. Wir freuen uns auf die Erdbeeren und roten Äpfel, die Sonnen-aufgänge und Orangen, die Bienen und den Honig, Melonen und das Fußballspielen, auf das Schwimmbad und das Meer… Auf manches davon müssen wir gerade verzichten. Aber der Regenbogen erinnert uns an Gottes Bund mit den Menschen. Sein Versprechen macht uns Hoffnung:
»Von heute an gilt: Alles, was lebt, Menschen, Tiere, Pflanzen liebe ich. Ich setze meinen Bogen in die Wolken. Immer, wenn der Regenbogen auftaucht, werde ich ihn ansehen und mich an mein Versprechen erinnern. Und auch ihr könnt ihn ansehen und euch daran erinnern, dass ich mich mit euch verbunden habe!« (Gütersloher Erzählbibel, 2004)
Der Regenbogen aus den gemeinsam gesammelten Wörtern hängt nun an der Tür. »Er erinnert mich jetzt an Gottes Versprechen, dass er auf uns aufpasst«, lächelt eine Zweitklässlerin. »Und daran, dass es keine Sintflut mehr geben wird«, ergänzt ein älterer Schüler.
Ein Impuls des Evangelischen Schulreferats Leverkusen.
Autorin Jessica Wilhelmi ist Schulreferentin im Evangelischen Kirchenkreis Leverkusen mit langjähriger Praxiserfahrung als Lehrerin des Faches Evangelische Religion an der Grundschule.