Während der Tage im Homeoffice und den Ausgangsbeschränkungen hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Sie vermutlich auch.
Das Leben und Arbeiten im Homeoffice haben meine Kolleginnen und Kollegen schon ausführlich beschrieben. Über die Umstellung der Arbeitsroutine, den neuen Familienalltag, die Auswirkungen von anderen Büromöbeln oder die neue Form der Team-Kommunikation.
Ich persönlich komme damit gut zurecht. An meiner Arbeitsweise selbst hat sich kaum etwas geändert. Manchmal finde ich es sogar angenehm, dass ich keine Gespräche ausblenden muss, sondern in völliger Ruhe arbeiten kann.
Was mir mehr Sorgen machte, war die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit.
Weil mein Freund in der Nähe des Verlags arbeitet, fahren wir zusammen mit dem Auto. Arbeitsbeginn ist klar, zum Feierabend mussten wir uns bisher immer absprechen. Meist bin ich es, die überzieht – weil ein Termin am Nachmittag angesetzt ist und länger geht als erwartet oder ich die eine Sache noch zu Ende bringen will/muss. Ich war aber grundsätzlich »gezwungen« eher pünktlich Feierabend zu machen.
Im Homeoffice sieht das nun natürlich anders aus. Mein Freund steht weiter morgens auf und fährt zur Arbeit, ich stehe auf und gehe an meinen Arbeitsplatz. Wenn es länger dauert, ist das kein Problem. Er muss nicht warten, ich schaue nicht nervös auf die Uhr.
Nach Möglichkeit mache ich weiterhin pünktlich Feierabend. Die dringendsten Dinge sind erledigt, alles andere kann auch bis zum nächsten Tag warten. Das macht mir überraschend wenig Schwierigkeiten. PC aus und Feierabend. Einfacher als gedacht.
Entsprechend gut kann ich auch den Feierabend genießen. Sport im Fitnessstudio fällt derzeit aus, also direkt auf den Balkon in die Sonne! Sonnenbrille auf die Nase. Ein Glas Wasser im Schatten. Gemütlich hinsetzen, Augen zu, Füße hoch, dem Vogelzwitschern lauschen.
Einfach den Moment genießen und entspannen.
Die Kinder dürfen die Spielfläche zwischen den Häusern aktuell nicht nutzen. Also kein Kinderlärm von unten. Schade für die Kinder, wirklich. Aber diese Ruhe ist mir lieber. Vielleicht hat die Corona-Krise ja doch etwas Gutes?
Halt, stopp.
Was denke ich da? Natürlich nicht!
Ich vermute, wir sind und alle einig: Der Virus selbst ist schrecklich. Die Maßnahmen, die zur Eindämmung ergriffen werden, verändern unseren Alltag. Rational gesehen ist das sinnvoll und notwendig, aber dennoch finden wir die Einschränkungen fürchterlich. Wir sind mehr oder weniger eingesperrt, Konsum ist auf das nötigste beschränkt, soziale Kontakte finden nur online oder per Telefonat statt, Freizeitgestaltung außerhalb des Wohnraums ist nahezu unmöglich. »Früher« war alles besser. Wenn man dann von den wirtschaftlichen Folgen hört, die kurz oder lang trotz Kurzarbeit viele Arbeitsplätze kosten werden… Scheint, als wäre unsere Zukunft tiefschwarz.
Eine zarte Stimme flüstert: »Es gibt auch gute Seiten!«
Liebe Menschen, Hand aufs Herz: Es ist nicht alles schrecklich und fürchterlich.
Im Leben »vor Corona« war zwischen Arbeit, Selbstoptimierung, Familienalltag und Unternehmungen mit Freunden kaum Zeit für die vielen Projekte, die man gerne angehen wollte: etwas Neues lernen (z. B. ein Handwerk), renovieren, den Garten/Balkon neu bepflanzen etc. Was steht schon Ewigkeiten auf Ihrer To-Do Liste und rutscht im Alltag doch immer und immer wieder nach unten?
Endlich ein freier Samstag, doch dann ruft spontan die gute Freundin an, die selten in der Gegend ist und noch seltener Zeit hat, und fragt nach einem Treffen. Wer würde in so einem Fall sagen:
Wie schön von dir zu hören! Ich freue mich, dass du dich meldest! Aber leider bin ich bereits mit Häkelnadel und Garn verabredet, um ein neues Tuch zu häkeln!
Eher nicht, oder? Wir sagen der Freundin zu – diese Gelegenheit will man schließlich nutzen. Häkelnadel und Garn werden verstaut. Dafür ist irgendwann demnächst bestimmt Zeit.
Klischeehaft nenne ich an dieser Stelle auch den ungeliebten Besuch bei den Schwiegereltern, den man möglichst meiden möchte.
Wir würden gerne zu Kaffee und Kuchen zu euch kommen, ehrlich! Aber ihr wisst ja, Corona, die Ausgangsbeschränkungen, soziale Kontakte vermeiden. Euch zu Liebe möchten wir den Besuch verschieben. Wenn sich die Lage wieder beruhigt hat, kommen wir gerne!
Gibt es aktuell einen bessere Grund, um etwas nicht zu tun? Vermutlich nicht.
Was ich sagen will ist: Die Welt ist nicht nur schwarz oder weiß, sondern kunterbunt.
In Zeiten wie diesen sollten wir versuchen, neben all den tiefen Einschnitten in das öffentliche Leben auch die positiven Dinge zu sehen: Die intensive Zeit, die Familien sonst nicht einmal in den Ferien zusammen haben können. Die Entschleunigung in unserem Alltag, weil wir nicht von der Arbeit ins Fitnessstudio hetzen müssen, damit wir noch pünktlich am Kino sind. Die Möglichkeit, lang aufgeschobene Projekte anzugehen. Die Gelegenheit, schlechte Gewohnheiten des Alltags abzulegen und neue Routinen zu entwickeln.
Always look on the bright side of life!