Die Verlagsgruppe Vandenhoeck & Ruprecht | Böhlau trauert um ihren Autor Dr. theol. Dr. h.c. mult. Erich Gräßer, der am 2. Juni 2017 im Alter von 89 Jahren verstorben ist.
Nachruf der Herausgeber des Evangelisch-Katholischen Kommentars auf ihren Kollegen Erich Gräßer (1927–2017)
Am 2. Juni 2017 ist Erich Gräßer in seinem 90. Lebensjahr verstorben. Er war ein EKK-Mitarbeiter der
ersten Stunde. Am 23. Oktober 1927 in Schwalbach an der Saar geboren, studierte er Evangelische
Theologie in Wuppertal, Tübingen und Marburg. Seine Promotionsschrift über die
Parusieverzögerung wurde von Werner Georg Kümmel betreut. Er lehrte Neues Testament als
Professor in Bochum (1965–1979) und Bonn (1979–1993) und war Ehrendoktor der Katholisch-
Theologischen Fakultät der Universität Bonn sowie der Theologischen Fakultät der Universität
Greifswald.
Gräßers Marburger Habilitationsschrift über den Glauben im Hebräerbrief wies ihm den Weg zu
seinem Engagement im Evangelisch-Katholischen Kommentar. Zwischen 1990 und 1997 erschien
seine einflussreiche Hebräerbriefauslegung in drei Bänden, 2016 noch einmal in einer
Sonderausgabe. Der Kommentar bewegt sich sensibel zwischen den großen christologischen Bildern
des Hebräerbriefs und ihrer Relevanz für die Gegenwart, vor allem auch im jüdisch-christlichen
Gespräch, für das Gräßer mit Offenheit und Leidenschaft, mitunter auch mit bester reformatorischer
Streitbarkeit stand. Seine theologische Perspektive war geprägt vom Geist der »Alten Marburger«,
aber auch von der »Ehrfurcht vor dem Leben« im Sinne Albert Schweitzers. Im ersten Band beschreibt
Gräßer den »theologischen Kopf« hinter dem Hebräerbrief – und unbewusst wohl auch sich selbst:
»Geschärfte theologische Denkanstrengung wird eingesetzt als Waffe gegen den kirchlichen
Niedergang. Bessere Theologie und nichts als bessere Theologie! Ein denk-würdiger Vorgang, der
seine Wirkungsgeschichte immer wieder neu vor sich hat« (I/27).
Solange es seine Gesundheit erlaubte, hat sich Erich Gräßer intensiv an den Diskussionen in unserem
Autorenkreis beteiligt und dadurch viele andere Projekte direkt wie indirekt gefördert. Unvergessen
sind seine pointensicheren Erzählungen, die lebendig vor Augen führten, wie sich seit seiner
Studienzeit allmählich ein ökumenisches Interesse aus genuin evangelischem Bewusstsein
entwickelte. Die enge Freundschaft mit seinem Bonner Kollegen Helmut Merklein (1940–1999),
gleichfalls Mitglied im EKK-Kreis, hat ihm evangelisch-katholische Exegese zu einem Lebensthema
werden lassen.
Ein Motiv, das Erich Gräßer immer wieder bewegt hat, war die »Existenz zwischen den Zeiten« (vgl.
Hebr 13,14). Auf die letzte Seite seines Kommentars setzt er ein Zitat von Ernst Käsemann: »Es gibt
keinen Stillstand in der Geschichte. Jedes Geschlecht hat neu aufzubrechen und wird – spätestens im
Tode, zumeist jedoch auch im Leben! – auf seine besondere Weise scheitern. Wir können uns auf der
Erde nicht einrichten. Wir sind hier Gäste und Fremdlinge, wie es Hebr. 11 heißt« (III, 425). In diesem
Glauben ist Erich Gräßer im Wortsinn heimgegangen.
Wir sind dankbar, ihn als Kollegen und Freund gehabt zu haben, und gedenken seiner in der Hoffnung
auf die »bleibende Stadt«.
Knut Backhaus
Christine Gerber
Thomas Söding
Samuel Vollenweider