Der Sonderpreis des Programms »Geisteswissenschaften International« geht an Daniel Tödt für sein Buch »Elitenbildung und Dekolonisierung«. Auch Fabian Kloses »In the Cause of Humanity« zählt zu den durch die Übersetzungsförderung geförderten Werken. Wir gratulieren unseren beiden Autoren.
Daniel Tödt wird für seine Untersuchung »Elitenbildung und Dekolonisierung. Die Évolués in Belgisch-Kongo 1944-1960« mit dem Sonderpreis ausgezeichnet. Die Untersuchung von Daniel Tödt sei »bahnbrechend« – so das Urteil der Jury: »Gegen den bis heute vorherrschenden Trend der Fixierung auf den antikolonialen Befreiungskampf und die kolonialen Aggressoren kommen in seinem Werk die einheimischen kongolesischen Eliten in den Blick, die ihre soziale Emanzipation, Fortschritt und Entwicklung zunächst innerhalb des Kolonialsystems sahen, aber dann Träger der Unabhängigkeitsbewegung und der postkolonialen Regierung wurden. Aus Quellen, Archiven, Zeitungen und Romanen entwickelt der Autor minutiös ein differenziertes Bild einer Kolonialgesellschaft und ihrer Sozialstruktur. In einer angenehm nüchtern eleganten Sprache entsteht ein hochinteressanter, in vielen Episoden sehr anschaulicher, differenzierter Blick auf die afrikanische Kolonialgesellschaft, der die Akteure ernst nimmt und ihnen eine Stimme gibt. Eine Übersetzung ist dringend notwendig als Beitrag für die internationalen postkolonialen Debatten heute.« (www.boersenblatt.net/2020-03-06-artikel-sonderpreis_fuer_daniel_toedt-geisteswissenschaften_international.1823566.html)
Daniel Tödt untersucht in seinem Buch »Elitenbildung und Dekolonisierung«, wie sich die afrikanische Elite in Belgisch-Kongo von Gehilfen zu Gegnern des Kolonialstaates wandelte. Nach 1945 ging es der sich neuformierenden afrikanischen Elite angesichts von Reformversprechen zunächst weniger darum, den Kolonialismus zu überwinden, als einen privilegierten Platz darin zu besetzen. Die kolonialstaatliche Elitenpolitik bot den Évolués anhand von Vereinen und Zeitschriften eine ambivalente Öffentlichkeit, die Ermächtigung aber auch Kontrolle bedeutete. Dabei schildert er den dornenreichen Kampf einer verbürgerlichten Elite um Gleichberechtigung, Anerkennung und Mitsprache. Enttäuscht über die Grenzen kolonialer Entwicklung erwuchs aus den Évolués die erste Politikergeneration des unabhängigen Kongos – Patrice Lumumba war einer von ihnen.
Zu den geförderten Werken zählt ebenfalls Fabian Kloses »›In the Cause of Humanity.‹ Eine Geschichte der humanitären Intervention im langen 19. Jahrhundert«. Ausgehend von der größten humanitären Katastrophe aller Zeiten – dem transatlantischen Sklavenhandel – liefert Carl-Erdmann-Preisträger Fabian Klose eine Geschichte der humanitären Intervention im langen 19. Jahrhundert. Die Ereignisse der humanitären Intervention – der transatlantische Sklavenhandel, die Intervention zum Schutz der christlichen Minderheit im Osmanischen Reich sowie die Befriedung Kubas im kubanischen Unabhängigkeitskrieg – legen bis heute den Grundstein für eine der vieldiskutiertesten Fragen der internationalen Politik: Wie und wann darf auf die Verletzung von humanitären Normen und damit einhergehenden humanitären Krisen durch die internationale Gemeinschaft reagiert werden?
Die im Rahmen von »Geisteswissenschaften International« ausgezeichneten Arbeiten werden bezüglich der Übersetzung mit einer Summe von insgesamt 275.000 Euro finanziert. Das Ziel dieser Auszeichnung ist eine stärkere internationale Verbreitung deutscher Forschungsergebnisse in den Sozial- und Geisteswissenschaften sowie eine bessere globale Vernetzung der deutschen Wissenschaften. Durch die Förderung wird die Zahl der in englischen Sprachraum vergebenen Lizenzen dauerhaft erhöht.
Zur Jury von »Geisteswissenschaften International« gehören:
- Prof. Dr. Luca Giulani (Wissenschaftskolleg zu Berlin, Vorsitzender der Jury)
- Prof. Dr. Tilman Allert (Universität Frankfurt, emeritiert)
- Barbara Budrich (Barbara Budrich Verlag)
- Alexander Cammann (Die ZEIT)
- Prof. Dr. Philipp Gassert (Universität Mannheim)
- Dr. Jan Niklas Howe (Universität München)
- Prof. Dr. Doris Kaufmann (Universität Bremen)
- Prof. Dr. Christoph Menke (Universität Frankfurt)
- Prof. Dr. Gloria Meynen (Universtität Friedrichshafen)
- Dr. Martin Rethmeyer (De Gruyter)
- Dr. Julia Voss (Universität Lüneburg)