»Erfassung, Ordnung, Ausgrenzung« – das aktuelle Themenheft der Zeitschrift »Geschichte und Gesellschaft« (3/2021) herausgegeben von Paul Nolte ist erschienen.
Erfassen, ordnen, ausgrenzen – diese und ähnliche Begriffe haben seit geraumer Zeit Konjunktur, besonders in der deutschen Geschichtswissenschaft. Impulse der neueren Wissensgeschichte spielen dabei eine wichtige Rolle, auch epochenübergreifend, zum Beispiel für Gesellschaften der Frühen Neuzeit. Besondere Bedeutung entfalten diese Kategorien aber in der Geschichte des 20. Jahrhunderts, weil sie Schlaglichter auf die Ambivalenzen der »Hochmoderne« werfen. Diktaturen und ihre Mordtaten waren keine Atavismen, sondern radikalisierten häufig solche Ansprüche, die auch die westliche Aufklärung getrieben hatten. Zugleich eröffnen sich damit neue Zugänge zu Gemeinsamkeiten von Diktaturen und liberalen Demokratien im »Zeitalter der Extreme«, einschließlich des Kontinuitätsproblems der deutschen Geschichte zwischen Nationalsozialismus und Bundesrepublik. Die fünf Aufsätze des Themenheftes lassen sich als Fallstudien zur Vertiefung und Erprobung dieser Perspektiven verstehen.
Inhalt
- Sebastian F. Bondzio: Doing »Volksgemeinschaft«. Wissensproduktion und Ordnungshandeln der Geheimen Staatspolizei.
- Lukas Grawe: Sozialpolitik als nationalsozialistisches Propagandamittel während des Zweiten Weltkrieges.
- David Jünger: Verzerrte Erinnerung. Die Wirkung des Holocausts auf das Zeugnis von der nationalsozialistischen Judenverfolgung.
- Martin Wagner: KPD-Verbot – KPÖ-Gebot. Antikommunismen und staatlicher Umgang mit Kommunistischen Parteien in den 1950er Jahren.
- H. Catherine Davies: »Gastarbeiterkriminalitiät« und die Anfänge der Polizeilichen Kriminalstatistik in der frühen Bundesrepublik.
- Diskussionsforum
- Harald Kleinschmidt: Plädoyer für eine kritische Historisierung des Nationenbegriffs